Die AHV als Spiegel eines klassischen Links-Rechts-Konflikts

Die AHV zahlt vielen Bürgern pro Franken Beitrag mehr Rente als die zweite und dritte Säule. Laut Gewerkschaftsbund zeigt dies, dass die AHV «effizienter» sei. Eine weit bessere Erklärung sind die hohen Subventionen.

Eine Mehrheit der Bürger dürfte im Prinzip pro Franken Beitrag deutlich mehr Rente in der AHV erhalten als in der zweiten und dritten Säule. Der Gewerkschaftsbund hat am Mittwoch an diesen Befund erinnert, um sein altes Anliegen eines AHV-Ausbaus zu bekräftigen. Laut einer genannten Beispielrechnung müsste ein Ehepaar mit bestimmtem Einkommen in der Säule 3a etwa einen doppelt so hohen Lohnanteil als Beitrag zahlen wie in der AHV, um auf eine gleiche Rente zu kommen. Die AHV sei «effizienter».

Dass die AHV für manche «rentabler» scheint als die Pensionskasse oder die Säule 3a, liegt auf der Hand. Denn die meisten AHV-Renten sind massiv subventioniert. Steuergelder machen rund einen Viertel der AHV-Einnahmen aus. Hinzu kommt, dass die AHV-Beiträge auf Jahreseinkommen über 84 240 Franken (2014) nicht rentenbildend und damit faktisch ebenfalls Steuern sind und einer Subvention der übrigen Renten entsprechen. Insgesamt dürfte der Subventionsanteil der AHV etwa 40 Prozent der Gesamteinnahmen ausmachen; viele AHV-Renten kommen auf einen Subventionsanteil von etwa 50 Prozent.

Schwieriger Reformprozess

Der politische Effekt dieser zum Teil undurchsichtigen Zahlungsströme ist ein Fall für das Lehrbuch. Eigentlich müsste die Debatte um die Zukunft der Altersvorsorge einen Konflikt der Generationen spiegeln, doch wegen der massiven Subventionen und Umverteilungen in der AHV ist der Generationenkonflikt oft überlagert durch einen klassischen Links-Rechts-Konflikt: Linke wollen den Ausbau der AHV (und damit der Subventionen und Umverteilungen), Rechte wollen bremsen. Das macht AHV-Reformen noch schwieriger, als sie es sonst schon wären.

Es wäre zwar ehrlicher und polit-ökonomisch auch gescheiter, die faktische Steuer auf hohen Einkommen aus der AHV zu entfernen und direkt auf die Steuerprogression umzuleiten, doch in der AHV gilt das Gleiche wie anderswo: Sind Subventionen einmal da, kriegt man sie fast nicht mehr weg. Auch die Steuerbegünstigung für die Säule 3a – von der vor allem gutsituierte Bürger sowie die Banken profitieren – ist kaum mehr wegzubringen.

Bezüglich «Rentabilität» der Beitragsfranken hat die AHV noch einen weiteren Vorteil. Weil in der zweiten und dritten Säule im Prinzip jeder sein eigenes Alterskapital anspart, gibt es dort viel mehr Kapital zu verwalten als im Umlageverfahren der AHV – deren Leistungsversprechen auf der Erwartung ständig neuer Zahler beruhen. Mehr Kapitalverwaltung heisst mehr Verwaltungskosten. Dem steht allerdings ein Nutzen gegenüber. So ist die zweite Säule weniger anfällig auf Demografiedruck als die AHV und läuft damit auch weniger Gefahr, jungen Generationen unverdiente Hypotheken aufzuhalsen.

Subventionsfluss auch in der zweiten Säule

Aber auch die zweite Säule kann sich dem Verteilungskampf nicht ganz entziehen. Ein Einfallstor war die Verpolitisierung des Umwandlungssatzes (mit welchem aus dem Alterskapital die Jahresrente errechnet wird). Aus mathematischer Sicht ist der Umwandlungssatz für den obligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge (6,8 Prozent für 2014) seit vielen Jahren zu hoch, was einer Subventionierung der älteren Generationen zulasten der jüngeren entspricht.

Bei der AHV sind derweil die versprochenen Renten der Babyboom-Generation noch nicht finanziert. Gemäss jüngstem Szenario des Bundes schreibt die AHV ohne Reform ab 2021 rote Zahlen und steht ab 2030 ohne Kapital da. Aus linker Sicht gäbe es eine «effiziente» Lösung: vorderhand nichts tun, bis der Handlungsdruck offenkundig wird – und dann dürfte die Politik nach verbreiteter Einschätzung kurzfristig eher mehr Beiträge und Steuern (und damit mehr Umverteilung) beschliessen als eine Erhöhung des Pensionierungsalters oder ein Einfrieren der Renten.

Quelle: NZZ / Hansruedi Schöchli
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