Schweizer Vorsorgesystem – Immerhin Renten

Die Lage von privaten und institutionellen Sparern ist unerfreulich. Trotzdem ist das Schweizer Vorsorgesystem stabiler als viele andere in der Welt.

Der durchschnittliche amerikanische Haushalt von Erwerbstätigen hat praktisch keine Ersparnisse fürs Alter. 2500 $ sind es im Schnitt. Das ist der Median. Das heisst: 50% der Haushalte haben mehr, 50% haben weniger. Bei Haushalten von Erwerbstätigen kurz vor dem Rückzug aus dem Erwerbsleben, sind es 14 500 $. Rund zwei Drittel aller Haushalte mit Erwerbstätigen zwischen 55 und 64 haben weniger als ein Jahreseinkommen auf der hohen Kante. Das wird nicht reichen, um den Lebensstandard nach der Pensionierung zu halten.

Kein Wunder, schaffen es die USA im soeben erschienenen Ranking der Beratungsfirma Mercer nicht über einen mittleren Rang hinaus (siehe Tabelle oben). Seit 2009 rangiert Mercer zusammen mit dem Australian Centre for Financial Studies in der Studie «Melbourne Global Pension Index» die Vorsorgesysteme von 27 Ländern. Bewertet werden Angemessenheit, Nachhaltigkeit, Integrität der Systeme entlang Dutzender Kriterien. Zu verdienen sind 100 Punkte. Die Schweiz hat im Vergleich mit dem vergangenen Jahr zwar 2 Ränge eingebüsst. Aber mit Rang 6 und 68,6 Punkten befindet sich unser Vorsorgesystem immer noch deutlich über dem Mittelfeld und auch über dem Durchschnitt.

Wieso fällt unser Land zurück? In Umlageverfahren wie bei der AHV – die Arbeitnehmer zahlen die Renten der Pensionäre direkt mit ihren Beiträgen – schlägt die steigende Lebenserwartung zu Buche; in Kapitaldeckungsverfahren wie bei der zweiten Säule (BVG) fordert zusätzlich dazu die Tiefzinslage ihren Tribut. Ein Blick zurück zeigt auf, wie dramatisch das ist: Zwischen 1985, als das BVG-Obligatorium eingeführt wurde, und dem Start der Finanzkrise 2008 pendelte das allgemeine Zinsniveau im Schnitt um rund 4%. Seit der Finanzkrise jedoch sind die Zinsen in vielen wichtigen Anlagewährungen gegen null gesunken. Im Schweizer Franken sind sie gar negativ, was besonders schlimm ist für unsere Pensionskassen, müssen sie Renten doch in Franken zahlen. Die steigende Lebenserwartung und die Null-Zins-Welt setzt der zweiten Säule derart zu, dass die Pensionskassen seit längerem daran sind, Renten zu senken.

Prominente Beispiele wie die Zürcher Pensionskasse BVK und die Bundespensionskasse Publica machen es vor. Bei der BVK sinken die Umwandlungssätze ab 2017 um 21%. Der sogenannte Umwandlungssatz bestimmt die Rentenhöhe im Alter.
Die Publica wiederum hat just diese Woche angekündigt, dass sie auf Mitte 2018 den Umwandlungssatz von 5,65% auf 5,09% reduziere. Das entspricht einer Rentensenkung von 10%. Um ein Beispiel zu machen, wie der Umwandlungssatz funktioniert: Für 100 000 Fr. Sparkapital kriegen Publica-Rentner inskünftig noch eine Jahresrente von 5009 Fr. statt 5065 Fr. Im Interview mit der «NZZ am Sonntag» (siehe Seite 102) verteidigt der BVK-Chef, Thomas Schönbächler, Rentensenkungen. Er sagt: «Die Lebenserwartung nimmt alle zehn Jahre um über ein Jahr zu. Wir haben rekordtiefe Zinsen.» Dadurch, dass man den Umwandlungssatz reduziere, sichere man das finanzielle Gleichgewicht der Kasse und schütze die junge Generation. «Die Jungen werden nicht unbedingt tiefere Renten haben, da sie noch viel Zeit haben, um Geld anzusparen.»

Wieso aber dürfen Umwandlungssätze überhaupt unter 6,8% gesenkt werden? Das ist die Grösse, welche das Gesetz vorschreibt. 6,8% gelten aber eben nur für das «obligatorische» Geld, das heisst jene Sparbatzen, die auf dem Lohn bis 84 600 Fr. generiert wurden. Für Sparfranken, die auf darüberliegenden Lohnteilen erwirtschaftet werden, sind Pensionskassen frei, jenen Umwandlungssatz zu wählen, den sie für richtig halten. Im Schnitt kann deshalb der Umwandlungssatz viel tiefer liegen als 6,8%.

Quelle: NZZ
21.11.2016

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