Wohin mit den 50 Milliarden PK-Geldern, die einfach so brachliegen?

Mehr als 50 Milliarden Franken Spargelder der beruflichen Vorsorge sind auf einem gesperrten Bankkonto geparkt – das sind 6 Prozent aller Pensionsvermögen. Es sind Guthaben der zweiten Säule, die von der Pensionskasse wegen Unterbruchs der Erwerbstätigkeit der versicherten Person ausgesondert wurden. Auf diesen Geldern besteht kein Anspruch auf den BVG-Mindestzins und auch nicht auf eine spätere Rente.

Die meisten Banken bieten für solche Sperrkonten derzeit höchstens 0,2 Prozent Jahreszins. Die Pensionskassen haben jedoch den gewöhnlichen Vorsorgegeldern in den Jahren 2014 bis 2017 gemäss neuester Swisscanto-Umfrage jährlich 1,7 bis 2,5 Prozent Zins gutgeschrieben.

Zum Zinsnachteil kommt hinzu, dass bei unterbrochener oder reduzierter Erwerbstätigkeit keine oder nur mehr geringe weitere Geldeinlagen entstehen. Das ausgesonderte Freizügigkeitsgeld stagniert, weshalb das ursprünglich angepeilte Vorsorgeziel illusorisch wird.

Besser Aktien als nur Konto allein

Das Freizügigkeitsgesetz gilt seit 1995 und besagt, dass austretende Mitarbeitende vollen Anspruch auf das in der betriebseigenen Pensionskasse Gesparte haben. Diese Freizügigkeit muss jedoch als separiertes Vorsorgegeld bestehen bleiben. Es ist bei Aufnahme einer nächsten Erwerbstätigkeit als Starteinlage auf das eigene Konto in der Vorsorgeeinrichtung des neuen Arbeitgebers einzuzahlen.

Die Berechtigten von Freizügigkeitsgeldern halten über 80 Prozent der Beträge in Kontoform, sagt Beat Bühlmann vom Vorsorgedienstleister Finpension: «Dabei beträgt die Haltedauer solcher Gelder oft mehrere Jahre und eine Anlage in Wertschriften über kollektive Investments ist erlaubt.» Es gelten dafür dieselben Regeln wie für das Vorsorgesparen 3a: der Aktienanteil darf bis 50 Prozent des Vermögens betragen, toleriert sind bis 80 Prozent, wenn entsprechende Risikofähigkeit ausgewiesen ist, bspw. bei Alter unter fünfzig Jahren oder wenn substanzielle weitere private Vermögensteile bestehen.

Die geringe Nutzung von Wertschriftenlösungen für die gesperrten Gelder führt Bühlmann auf mangelhafte Information und auf überteuerte Angebote zurück: «Viele Vorsorgefonds belasten jährlich rund 1,2 Prozent Gesamtkosten, obschon bei den Institutionen der beruflichen Vorsorge die Vermögensverwaltungskosten über die vergangenen Jahre deutlich verringert wurden.»

Finpension arbeite daran, Wertschrifteninvestments zu einer Gebühr von jährlich weniger als 0,5 Prozent des Vermögens anzubieten. Auf den Geldern der Pensionskassen fielen 2017 im Medianwert 0,44 Prozent Gebühren an.

Ein Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle aus dem Jahr 2016 belegt, dass die Summe der Freizügigkeitsgelder im Zeitraum 2007 bis 2013 von 30 Milliarden Franken auf knapp 50 Milliarden Franken gestiegen ist. Der Verein Vorsorge Schweiz, in dem die Anbieter von Vorsorgelösungen organisiert sind, schätzt das Volumen per Ende 2017 auf 52 Milliarden Franken Das übertrifft bei weitem das gesamte Vermögen der staatlichen ersten Vorsorgesäule (AHV/IV/ EO) von zuletzt 37 Milliarden Franken und ist rund halb so viel wie auf 3a-Konten und -Depots liegt.

Gelder der schweizerischen Altersvorsorge

 

Wichtigste Anbieterin ist die Stiftung Auffangeinrichtung BVG. Sie führt rund 1,1 Millionen Freizügigkeitskonten mit einer Summe von 10,2 Milliarden Franken per Ende 2017. Im vergangenen Jahr waren nach 2,2 Milliarden Franken Zufluss und 1,2 Milliarden Franken Geldrückzügen netto 1 Milliarden Franken dazugekommen. Geschäftsführer Marc Gamba bemerkt dazu auf Anfrage, Pensionskassen würden den Geldanspruch ausgetretener Versicherter rascher als früher aus ihrer Bilanz entfernen und auszahlen – wohl wegen Negativzinsen auf dem Bankkontokorrent.

Rund zwei Drittel der Freizügigkeitskonten bei der Auffangeinrichtung sind ohne aktuelle Kontaktadresse, davon 80 Prozent mit einem Saldo unter 5000 Franken Die Namen der Begünstigten und ihre AHV-Nummer sind der Auffangeinrichtung bekannt und werden der Zentralstelle zweite Säule in Bern gemeldet, wo sich jede Person über allfällig gestrandete Guthaben erkundigen kann.

Wenn die neue Pensionskasse ablehnt

Dass Vorsorgegeld länger oder gar dauerhaft nicht in einer Pensionskasse platziert werden kann, hängt nicht nur mit der im Alter 50+ tendenziell länger dauernden Erwerbslosigkeit zusammen. Wenn in einem neuen Job das Salär niedriger als zuvor oder der Beschäftigungsgrad reduziert ist, lässt sich nicht immer die gesamte Freizügigkeit in die neue PK einbringen. Deren Reglement bestimmt nämlich, wie hoch das Vorsorgeguthaben ausgehend von Salär und Alter höchstens sein darf.

Helfen kann in einer solchen Konstellation eine Umschichtung vom Freizügigkeitskonto auf Wertschriftenanlagen, die zur eigenen Risikofähigkeit passen. Die Alternative ist, mit dem blockierten Vorsorgegeld Hypotheken auf selbst genutztem Wohneigentum abzuzahlen. Ein Barbezug des Freizügigkeitsgelds ist frühestens ab Alter 60 für Männer und Alter 64 für Frauen erlaubt.

Fakten zum Thema Freizügigkeit

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Kaum Rendite auf Freizügigkeitskonten

Den Menschen in der Schweiz gehören 1000 Milliarden Franken Vorsorgegeld. Davon liegen insgesamt 850 Milliarden Franken bei den Pensionskassen. Rund 150 Milliarden Franken Vorsorgegeld steckt auf gesperrten Konten und Depots; etwa 100 Milliarden Franken in der Vorsorgesäule 3a, weitere rund 50 Milliarden Franken auf Freizügigkeitskonten. Die jährliche Verzinsung dieser Kategorien klafft dabei weit auseinander.

In den zurückliegenden Jahren hat sich besonders jenes Vorsorgevermögen lukrativ entwickelt, das in den Pensionskassen steckt: Die Erwerbstätigen haben letztes Jahr im Schnitt 2,5 Prozent Zins erhalten, wie die ZKB-Tochtergesellschaft Swisscanto im Frühling in einer Umfrage erhoben hat. In den Jahren zuvor lag der Mittelwert der Zinsgutschriften zwischen 1,7 und 2,6 Prozent.

Bei den gesperrten Geldern kann die Performance stärker variieren, denn die Kontoinhaber dürfen verschiedene Formen von Wertschrifteninvestments wählen. Mehr als drei Viertel der gesamten Geldsumme liegt allerdings auf schlecht rentierenden Bank- und Versicherungskonten, wie der Verein Vorsorge Schweiz ermittelt hat. In ihm sind die Anbieter von Vorsorgekonten organisiert.

Wertschriftenanlagen können Nerven belasten

Auf 3a- und Freizügigkeitskonten zahlen die meisten Geldinstitute derzeit Zinsen von höchstens 0,2 Prozent – mehr bieten nur ganz wenige, oft nur lokal tätige Banken. Diversifizierte Wertschriftenanlagen mit Aktien und Anleihen versprechen über den Mehrjahreszeitraum eine kräftigere Rendite. Allerdings müssen dann entsprechende Wertschwankungen und zeitweilige Börsenkorrekturen nervlich ausgehalten werden können.

Wer sein 3a-Vermögen – und gegebenenfalls auch den längere Zeit blockiert bleibenden Teil des Freizügigkeitsguthabens – analog zur Anlagestrategie der Pensionskassen investiert hat, erreichte in den vergangenen Jahren Performances zwischen –0,6 Prozent im Jahr 2011 und +8,1 Prozent im zurückliegenden Jahr. Seit Beginn des laufenden Jahres haben die Pensionskassenportefeuilles, die im Schnitt zu rund 30 Prozent in Aktien und knapp 25 Prozent in Immobilien investiert sind, etwa ein halbes Prozent eingebüsst. Die Aufwärtsbewegung der Aktienbörse im Juli hat das Jahresmanko wettgemacht. Und längst ist noch nicht Ende Jahr. (Finanz und Wirtschaft)

Erstellt: 16.08.2018, 18:32 Uhr