Appelle der Swiss Life – «Die Reform der Altersvorsorge muss gelingen»

Patrick Frost, der Konzernchef der Swiss Life, appelliert an die Politiker, die Reformvorlage «Altersvorsorge 2020» bald festzuzurren. Die Vorlage müsse ein Volksmehr finden.

Die Swiss Life ist die grösste Immobilienbesitzerin der Schweiz, was mit Blick auf ihre führende Position als Anbieterin privater Vorsorgeleistungen und von Lebensversicherungen nur logisch ist. Patrick Frost führt seit dem Sommer 2014 das Unternehmen, nachdem er sich im selben Unternehmen als Anlagechef die Sporen abverdient hat. Was steht bei ihm zurzeit ganz oben auf der Agenda? In einem Gespräch im altehrwürdigen Hauptgebäude am Mythenquai kommt Frost sogleich auf das Reformprojekt «Altersvorsorge 2020» zu sprechen. Am wichtigsten sei, nun einen Kompromiss zu zimmern, der vor dem Volk bestehen wird. «Mein Hauptanliegen ist, dass sich die Räte im März in der Differenzbereinigung aufeinander zubewegen».

Es ist fünf nach zwölf

Die Angleichung des Rentenalters der Frauen (auf 65 Jahre), die Flexibilisierung des AHV-Rücktrittsalters auf 62 bis 70 Jahre statt der Altersguillotine 65 und vor allem die Senkung des gesetzlichen Rentenumwandlungssatzes von 6,8 auf 6,0% sind eigentlich unbestritten. Frost ruft in Erinnerung, dass in der zweiten Säule Jahr für Jahr etwa 4 Mrd. Fr. von Jung zu Alt umverteilt werden, Tendenz steigend. Selbstredend sind auch die Lebensversicherer gezwungen, übersetzte Renten zu sprechen, was eine weder gerechte noch nachhaltige Sozialpolitik darstellt.

Der Chef der Swiss Life sagt, die Proteste der Jungen und von deren Interessenvertretern gegen diesen unfairen Raubzug auf ihre Rentenansprüche sei bis anhin sehr, sehr milde ausgefallen. Unter der Oberfläche brodelt es aber; gemäss einer Analyse nach der Abstimmung zur klar verworfenen AHV-plus-Initiative – sie hätte die Jugendlichen wiederum benachteiligt – stimmten 79% der 18- bis 34-Jährigen, aber nur 43% der über 65-Jährigen dagegen.

Wenig Verständnis bringt Frost gerade mit Blick auf die Finanzlücken in der zweiten Säule für die rigide Haltung der Finanzmarktaufsicht auf. Er rechnet vor, dass der Swiss Solvency Test (SST) dazu zwinge, ungefähr 40 bis 60% mehr Kapital zu halten als europäische Konkurrenten. Dies sei nicht fair, und im Prinzip sei ein Schweizer Lebensversicherer allein aus diesem Grund kein guter Eigentümer einer ausländischen Gesellschaft. Es gibt zudem einen interessanten Konnex zur Schweizer Altersvorsorge. Frost erklärt dazu: «Wir könnten für jeden Kunden im Jahr zwischen 500 und 1000 Fr. mehr herausholen, wenn wir nach den Vorgaben von EU-Solvency-II investieren könnten.» Die adäquate Kalibrierung des SST hat in diesem Sinne auch eine politische Dimension. Mit Argusaugen beobachtet Frost die politischen Entwicklungen in den Vereinigten Staaten, wo er mehrere Jahre seiner Kindheit verbrachte und später als Portfolio-Manager der Versicherung Winterthur arbeitete.

Solidarität geht alle etwas an

Der Sieg Trumps in Ohio, Michigan und Wisconsin wirft seiner Ansicht nach ein grelles Licht auf die sozial und wirtschaftlich betrüblichen Entwicklungen in Teilen des Landes, kurzum auf die Perspektivenlosigkeit, was nach einem Ausgleich rufe. Eine Studie der Universität Princeton aus dem Jahr 2015 zeige, dass in Amerika die Sterblichkeitsrate von weissen «Non-Hispanics» nach Jahrzehnten des Rückgangs zwischen 1999 und 2013 erstmals gestiegen sei, und zwar auffallend häufig für die Altersgruppe der 45- bis 54-Jährigen. Dies läuft allen nationalen wie auch internationalen Trends in entwickelten Industrienationen zuwider. Auch an die Adresse Europas ist Frosts Feststellung gerichtet, eine steigende Lebenserwartung bzw. sinkende Mortalität sei eine soziale Errungenschaft, der man Sorge tragen müsse.

Quelle: NZZ
26.01.2017