Auch Rentner müssen teilen

Ab Januar gelten neue Regeln für den Vorsorgeausgleich bei einer Scheidung. Halbe-halbe gilt künftig auch in Fällen, in denen das bisher ausgeschlossen war.

Ist die Ehe am Ende, kommt es zum Ausgleich. Frau und Mann müssen bei einer Scheidung teilen, was sie während der Ehe in der Pensionskasse angespart haben. Wer mehr auf seinem Konto hat, muss dem anderen die Hälfte der Differenz überweisen. Dieser Grundsatz gilt auch für eingetragene Partnerinnen und Partner, wenn sie sich trennen. Der Vorsorgeausgleich trägt zusammen mit dem Splitting in der AHV dazu bei, die Folgen einer Scheidung im Alter zu mildern.

Schon kurz nach Einführung im Jahr 2000 stiessen aber die Regeln zum Vorsorgeausgleich auf Kritik. Die einen sagten, es komme in vielen Fällen nicht zu einer gerechten Teilung. Andere bemängelten, die rechtlichen Vorgaben seien zu starr und liessen kaum Spielraum für einvernehmliche Lösungen übrig.

Beides soll mit den neuen Regeln korrigiert werden. Sie treten am 1. Januar in Kraft und bringen teils gewichtige Änderungen. «Künftig wird häufiger geteilt», sagt Ueli Kieser, Professor für Sozialversicherungsrecht an der Uni St. Gallen. Gleichzeitig gebe es mehr Flexibilität für alternative Lösungen, sagt Urs Gloor, Richter am Bezirksgericht Zürich.

Welches die wichtigsten Neuerungen sind, zeigt der nachfolgende Überblick.

Halbe-halbe für Rentner: Neu werden die Pensionskassenguthaben auch geteilt, wenn ein Ehegatte bei der Scheidung bereits in Rente oder invalid ist. Nach dem geltenden Recht war dies ausgeschlossen. Da durften die Pensionskassengelder nicht mehr angetastet werden, wenn der Ehemann oder die Ehefrau schon eine Rente bezog. Stattdessen gab es für die ausgleichsberechtigte Person eine Abfindung. «Oft hatte der Zahlungspflichtige aber nicht genug Geld, um dem anderen eine angemessene Abfindung zu bezahlen, weshalb diese Regelung in der Praxis zu teils stossenden Resultaten geführt hat», sagt Richter Urs Gloor.

Künftig gilt halbe-halbe für IV- und für Altersrentner. Bei den Bezügern einer IV-Rente wird das Altersguthaben geteilt. Bei den Pensionierten kommt es zur Teilung der Rente. Dabei hätten die Gerichte einen Ermessensspielraum, wie sie die Teilung vornehmen, sagt Ueli Kieser. Es gilt jedenfalls auch da der Grundsatz: Wer die höhere Rente hat, muss dem anderen die Differenz ausgleichen. Dieser erhält dann eine lebenslange Rente aus der Vorsorge seines geschiedenen Partners.

Vorteil für Nichterwerbstätige: Eine Verbesserung bringt das neue Recht für Geschiedene, die selber keine berufliche Vorsorge haben. Sei es, weil sie während der Partnerschaft nicht berufstätig waren oder zu wenig verdienten, um einer Pensionskasse beitreten zu können. Sie mussten bisher das Vorsorgeguthaben, das sie bei der Scheidung vom Ex-Partner bekamen, in eine Freizügigkeitsstiftung einbringen und konnten es im Alter nur als Kapital beziehen. Neu haben sie die Möglichkeit, das Geld in die Pensionskasse der nationalen Auffangeinrichtung BVG einzubringen und es nach der Pensionierung in eine Rente umwandeln zu lassen.

Meldepflicht für Kassen: Vorsorgeeinrichtungen müssen ab 2017 jährlich ihren Versichertenbestand der Zentralstelle 2. Säule melden. Damit soll es nicht mehr möglich sein, dass Ehegatten einen Teil ihrer Vermögenswerte vor dem anderen verstecken, um es der Teilung zu entziehen.

Herkunft der Mittel angeben: In der Regel wird beim Ausgleich das Geld aus der Kasse der zahlungspflichtigen Person auf die Kasse der berechtigten Person übertragen. Dabei ist künftig immer auszuweisen, welcher Teil des Guthabens zur obligatorischen Versicherung gehört. So sei sichergestellt, dass auch nach der Übertragung der Mindestzinssatz und der gesetzlich vorgeschriebene Umwandlungssatz angewandt würden, sagt Rechtsexperte Ueli Kieser.

Neuer Stichtag für die Teilung: Bislang wurden die Guthaben aufgeteilt, die am Ende eines Scheidungsverfahrens vorhanden waren. Manch einer habe dies ausgenutzt und das Scheidungsverfahren verzögert, um davon zu profitieren, dass in dieser Zeit das Pensionskassenvermögen weiter anwuchs, sagt Roland Fankhauser, Professor für Zivilrecht an der Uni Basel. Dem setzt das neue Gesetz nun ein Ende: Der Stichtag für die Teilung wird vorverschoben. Massgebend ist jetzt das Pensionskassenguthaben, das zu Beginn des Scheidungsverfahrens vorhanden ist.

Komplizierter, aufwendiger

Vergleicht man die Neuerungen mit dem bisherigen Recht, so zeigt sich, dass die einen künftig beim Vorsorgeausgleich besser wegkommen, den anderen bringen die Änderungen eher Nachteile. Weil das neue Recht aber mehr Flexibilität zulasse, sei es künftig eher möglich, von einer strikten Teilung abzuweichen, sagt Richter Urs Gloor. So könnten auch andere Vermögenswerte für den Ausgleich miteinbezogen und mit der Vorsorge verrechnet werden. Gloor geht davon aus, dass es insgesamt zu gerechteren Lösungen komme als bisher.

Für die Gerichte werde der Vorsorgeausgleich aber komplizierter, so Gloor. «Wir müssen viel mehr Faktoren berücksichtigen und beim Ausarbeiten einer Lösung jeweils die Vorsorgesituation beider Ehegatten im Auge behalten.» Auch die Pensionskassen rechnen mit einem höheren Aufwand für die Abwicklung des Vorsorgeausgleichs, wie Hanspeter Konrad, Direktor des Pensionskassenverbands Asip, sagt. Zudem führe die Umstellung zu einmaligen Mehrkosten, weil Software, Reglemente und Formulare angepasst und die Mitarbeiter geschult werden müssten.

Die gesetzlichen Neuerungen werden ab dem 1. Januar auch angewendet auf Scheidungsverfahren, die vor den kantonalen Gerichtsinstanzen hängig sind. Umstritten sei jedoch, ob das auch für den Stichtag der Teilung gelte, sagt Rechtsprofessor Roland Fankhauser. Wenn ja, würde der Stichtag quasi rückwirkend auf den Beginn eines laufenden Scheidungsverfahrens vorverschoben.

Tabelle

Quelle: Tages-Anzeiger
04.12.2016

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