Bei Pensionskassen regiert der Rotstift

Grosse Schweizer Vorsorgeeinrichtungen wie die Pensionskasse der Credit Suisse und die BVK haben Kürzungen von Altersleistungen angekündigt. Vieles spricht dafür, dass weitere Kassen folgen werden.

Die Pensionskasse der Credit Suisse hat mit ihren Plänen zur Kürzung von Altersleistungen Anfang Februar für Schlagzeilen gesorgt. Wer 2025 mit 65 Jahren in Rente geht, erhält für 100 000 Franken Sparkapital noch 4865 Fr. pro Jahr, während es dieses Jahr 6054 Fr. sind. In den Jahren dazwischen wird der sogenannte Umwandlungssatz kontinuierlich gesenkt. Dies ist der Prozentsatz des in der Pensionskasse gesparten Vermögens, der den Versicherten nach der Pensionierung jährlich ausbezahlt wird. Bei der CS-Pensionskasse fällt er im genannten Zeitraum also von 6,054% auf 4,865%. Eine weitere grosse Vorsorgeeinrichtung, die Zürcher BVK, informierte 2015 ebenfalls über eine Kürzung. Bei ihr sinkt der Umwandlungssatz für einen 65-jährigen Pensionierten ab 2017 von 6,2% auf 4,82%.

Psychologische Hürde gerissen

Was hat es zu bedeuten, wenn zwei der grössten Pensionskassen solche Entscheide fällen? Jérôme Cosandey vom Think-Tank Avenir Suisse schliesst nicht aus, dass weitere Pensionskassen bald ähnliche Massnahmen ankündigen. Mit ihren Reformpaketen hätten die Pensionskasse der CS sowie die BVK die psychologisch wichtige Grenze von 5% beim Umwandlungssatz durchbrochen. Dies könnte andere Pensionskassen dazu animieren, dies ebenfalls zu tun. Zudem sorgen die extrem niedrigen Zinsen für Druck auf die Vorsorgeeinrichtungen.

Viele Kassen hätten Nachholbedarf dabei, die Höhe ihrer Umwandlungssätze zu senken, sagt Cosandey. Dies zeigt die Pensionskassen-Umfrage der zur Zürcher Kantonalbank (ZKB) gehörenden Gesellschaft Swisscanto für das Jahr 2015. Laut dieser lag der durchschnittliche technische Zins bei privatrechtlichen Pensionskassen im Beitragsprimat im Jahr 2014 bei 2,76%. Mit dem technischen Zins schätzt eine Vorsorgeeinrichtung ihre künftigen Erträge – aufgrund der ultraniedrigen Zinsen haben viele Kassen ihre Sätze in den vergangenen Jahren gesenkt. Die Kennzahl ist eng verknüpft mit dem Umwandlungssatz. Setzt eine Kasse den Umwandlungssatz im Vergleich mit dem technischen Zinssatz zu hoch an, macht sie mit jedem neuen Pensionierten einen Verlust. Damit keine solchen «Pensionierungs-Verluste» anfielen, wäre bei einem technischen Zins von im Durchschnitt 2,76% laut Cosandey ein durchschnittlicher Umwandlungssatz von 5,5% nötig. Wie die Umfrage von Swisscanto aber zeigt, betrug dieser im vergangenen Jahr 6,25% – damit ist er deutlich zu hoch.

Gerade bei Pensionskassen von Grosskonzernen ist der Anteil der überobligatorischen Vorsorge oft gross. Dies ist insofern relevant, als die Kassen im Überobligatorium nicht an den in der obligatorischen beruflichen Vorsorge vorgeschriebenen BVG-Mindestumwandlungssatz von 6,8% gebunden sind. Bei solchen als «umhüllend» bezeichneten Kassen ist folglich der Spielraum für Senkungen grösser. Gemäss der Swisscanto-Umfrage für 2015 betrugen die niedrigsten Umwandlungssätze solcher «umhüllenden» Kassen 4,38% für Frauen und 4,50% für Männer. Diese Vorsorgeeinrichtungen schienen sich also auf eine lange Frist sehr tiefer Vermögenserträge einzustellen, kommentierte Swisscanto.

Für weitere Kürzungen bei Pensionskassen spricht auch der legitime Grund, etwas gegen die massive Umverteilung zugunsten der Rentner und zulasten der Aktiven zu unternehmen. In den vergangenen Jahren ist diese Umverteilung aufgrund des zu hohen BVG-Mindestumwandlungssatzes deutlich gestiegen. Dies hat unter anderem eine 2015 publizierte Studie des Bundesamts für Sozialversicherungen gezeigt. Aus Sicht von Cosandey ist bei vielen Vorsorgeeinrichtungen der Wille gestiegen, die massive Umverteilung zu reduzieren.

Rechnungslegung als Faktor

Des Weiteren sorgen die internationalen Rechnungslegungsvorschriften IFRS und US-GAAP für Druck auf die berufliche Vorsorge. Der Standard IAS 19 führe mehr und mehr dazu, dass international tätige Unternehmen beträchtliche Verbindlichkeiten ausweisen müssten – was sie dazu verleite, die Risiken von Vorsorgeplänen auf ihre Mitarbeiter abzuwälzen, heisst es in der Branche. Dies könne dadurch geschehen, dass für Kaderpläne obligatorisch nur noch der Kapitalbezug vorgesehen wird oder dass Wahlpläne für die Anlagestrategie eingeführt werden. In beiden Fällen geht das Risiko für die Kapitalbewirtschaftung an die Versicherten über. Das Unternehmen könne seine Bilanzverpflichtungen dementsprechend kürzen, sagt der unabhängige Finanz- und Vorsorgeexperte Daniel Dubach. Von dieser Seite her komme starker Druck auf das Pensionskassensystem zu. Auch einige Unternehmen aus dem Industriebereich, die wegen des starken Frankens unter Druck stünden, dürften über Kürzungen bei der beruflichen Vorsorge nachdenken.

Bei Umwandlungssätzen von unter 5% stelle sich allerdings zunehmend die Frage der Akzeptanz der beruflichen Vorsorge in der Bevölkerung, sagt Cosandey. Schliesslich handelt es sich bei der beruflichen Vorsorge um ein «Zwangssparen»..

Quelle: NZZ

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *