Der Kassenwechsel erfolgte in der rechtlichen Grauzone

Schlieren/BVK – Der Pensionskassenwechsel der Stadtangestellten ist vollzogen – nun werden jedoch Stimmen laut, die beanstanden, dass die Vergabe nicht öffentlich ausgeschrieben wurde.

Seit vergangenem Sonntag sind die rund 380 Schlieremer Stadtangestellten nicht mehr bei der Pensionskasse des Kantons Zürich (BVK), sondern beim Dietiker Anbieter SHP versichert. Nun werden jedoch Zweifel laut, ob dieser Wechsel rechtens sei.

Laut den beiden Experten Claudia Schneider Heusi, Submissionsspezialistin und Rechtsanwältin, sowie Martin Beyeler, Professor für Bau- und Vergaberecht an der Universität Freiburg, hätte eine öffentliche Ausschreibung erfolgen müssen – eine sogenannte Submission – wie sie gegenüber der «NZZ» sagten. Beschwerden gegen eine nicht ausgeschriebene Vergabe hätten vor dem Zürcher Obergericht gar gute Chancen, sagt Schneider Heusi weiter.

Das Schlieremer Stadtpersonal votierte in einer Abstimmung selber für den Kassenwechsel, da die BVK auf das Jahr 2017 ihren Vorsorgeplan umsetzt und den technischen Zinssatz wie auch den Umwandlungssatz senkt. Nachdem mehrere der rund 470 Gemeinden und Organisationen, die der BVK angeschlossen sind, Kritik äusserten, wechselten lediglich deren vier die Pensionskasse. Dies sind die Gemeinden Erlenbach, Oberrieden und Mönchaltorf sowie die Schweizerisch Technische Hochschule Winterthur und die Stadt Schlieren.

Die betroffenen Gemeinden wollen von einem Submissionsverfahren nichts wissen. Schlieren etwa argumentiert mit dem Zeitdruck, der wegen der Einführung des BVK-Vorsorgeplans vorgeherrscht habe – per Ende November musste der BVK-Anschlussvertrag gekündigt sein. Auch liege die definitive Entscheidung beim Stadtpersonal, daher bestehe für die Exekutive keine wirkliche Auswahlfreiheit. Und drittens befinde sich das Gemeinwesen im Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern um attraktive Vorsorgelösungen. Daher sei dieser Bereich nicht dem Submissionsrecht unterstellt.

Argument ist «völlig abwegig»

Dieses Argumentarium stösst bei den Experten nur auf wenig Verständnis. So müsse hier aus juristischer Sicht von selbstverschuldeter Dringlichkeit gesprochen werden, monieren diese. Zudem belegte ein Bundesgerichtsentscheid von vergangenem Juli, dass die Personalvorsorge durchaus im öffentlichen Interesse liege. Das Mitwirkungsrecht der Angestellten spiele hierbei keine Rolle. Gar für «völlig abwegig» hält Beyeler das Argument Schlierens, mit anderen Arbeitgebern in Konkurrenz zu stehen. Zu dieser Begründung könne man auch greifen, wenn man den Bau eines neuen Gemeindehauses nicht öffentlich ausschreibe, da ja auch dort attraktive Arbeitsplätze entstehen würden, so Beyeler.

«Dies ist Kaffeesatzlesen»

Bei jeder Dienstleistung, welche die öffentliche Hand in Anspruch nehme, stelle sich die Frage, ob sie dem Submissionsrecht unterliege, sagt Stadtpräsident Toni Brühlmann-Jecklin (SP) auf Anfrage der Limmattaler Zeitung. «Unsere Auslegeordnung zeigt, dass die Wahl der Pensionskasse nicht öffentlich ausgeschrieben werden musste.»

So habe sich die Stadt den Zeitdruck keineswegs selbst auferlegt, sämtliche Termine seien von der BVK vorgegeben worden. Den Vergleich zum Bau eines Gemeindehauses kann Brühlmann nicht nachvollziehen. «In diesem Fall sind Zeitplan sowie Auftragnehmer- und -geber klar definiert. Bei der Wahl der Personalvorsorgekasse kommen jedoch mehr Interessen und Abhängigkeiten zusammen. Diese lassen eine öffentliche Ausschreibung nicht zu», sagt er.

Im Auftrag der Stadt führte ein Versicherungsberatungsunternehmen ein Einladungsverfahren mit acht Anbietern durch. «Lediglich zwei Offerten gingen bei uns ein, von denen eine nicht infrage kam», so Brühlmann. Er zweifelt daran, ob bei einer öffentlichen Ausschreibung mehr Offerten eingegangen wären – «obwohl dies Kaffeesatzlesen ist.»

Quelle: Limmattaler Zeitung
03.01.2017