Hausgemachte Misere bei der Pensionskasse Basel-Stadt – Die Legende um Eva Herzog

Die gute Finanzlage des Kantons Basel-Stadt ist nicht das Verdienst der Finanzdirektorin. Seit Rot-Grün in Basel die Mehrheit stellt, kennen die Ausgaben nur eine Richtung – nach oben. Ein Kommentar.

Die Schulden abgebaut, die Steuern gesenkt, die Pen­sionskasse saniert und die Ausgaben stabilisiert. All diese Erfolge ­werden der Basler Finanzdirektorin Eva ­Herzog landauf, landab angerechnet. Der ehemalige Präsident der Kantonalen Finanzdirektorenkonferenz, Christian Wanner (FDP, SO), sah die Sozialdemokratin vor vier Jahren bereits zu Höherem berufen: «Herzog wäre eine ausgezeichnete Bundesrätin», sagte Wanner damals vor den Bundesratswahlen.

Seitdem hat sich der Mythos Eva Herzog nur noch weiter gefestigt: Von links bis rechts wird sie als hervor­ragende Finanzministerin gelobt, ­welche die maroden Finanzen ihres Vorgängers wieder ins Lot gebracht habe. Ein Blick hinter die Fassade zeigt jedoch, dass Finanzdirektorin Eva ­Herzog wohl vor allem etwas hatte, nämlich sehr viel Glück. Die Steuer­einnahmen sprudelten seit Beginn ihrer Amtszeit vor neun Jahren in einer bis dato wohl noch nie da gewesenen Höhe. Die Begehrlichkeiten bei Rot-Grün wuchsen im gleichen Ausmass.

Massives Ausgabenwachstum

Seit Rot-Grün im Jahr 2005 die Mehrheit in der Basler Regierung stellt, kennen die Ausgaben nur eine Richtung: nämlich die nach oben, und zwar ungebremst. Die wichtigste Kenngrösse dafür ist das zweckgebundene Betriebsergebnis. Dieses entspricht dem Saldo aus Aufwand und Ertrag je Dienststelle und Departement und spiegelt die strukturelle Ausgabenentwicklung. Ein Vergleich der vergangenen fünf Jahre offenbart ein durchschnittliches jährliches Ausgabenwachstum von 2,72 Prozent pro Jahr. Betrug das zweckgebundene Betriebsergebnis 2009 (damals ordentlicher Nettoaufwand genannt) noch 2,17 Milliarden Franken, ist man im Jahr 2013 bereits bei 2,47 Milliarden Franken angekommen. Die ­Ausgaben des Kantons sind somit um 300 Millionen Franken in den letzten fünf Jahren gestiegen, was einer Steigerung um 13,6 Prozent entspricht.

Damit fällt die jährlich vom Regierungsrat anvisierte strukturelle Ausgabensteigerung von 1,5 Prozent beinahe doppelt so hoch aus wie vorgesehen. Dass der Staat pro Jahr 1,5 Prozent mehr ausgeben muss, ist an sich schon paradox. In der Privatwirtschaft wird oftmals der umgekehrte Weg bestritten: Es wird optimiert, um Kosten einzusparen. Selbst mit der Teuerung lässt sich das enorme Ausgabenwachstum nicht begründen, lag diese doch in den vergangenen Jahren bei null Prozent. Der Fall ist eindeutig: Rot-Grün bläht den Staat weiter auf. Das angekündigte Entlastungspaket, das Einsparungen für die Jahre 2016/2017 von 65 Millionen Franken pro Jahr vorsieht, ist in Tat und Wahrheit gar kein Sparpaket. Der Kanton gibt während zwei Jahren einfach nicht noch mehr aus – ein echtes Sparpaket hingegen würde die Staatsquote senken.

Hohe Steuerbelastung

Den ersten Schritt zu weniger Steuern wagte die Basler SVP mit ihrer Steuer-Initiative, die sie jedoch 2007 zurückzog und im Gegenzug den von der Wirtschafts- und Abgabenkommission abgeänderten Gegenvorschlag der Regierung unterstützte. Auf Druck der Bürgerlichen sah sich Eva Herzog im Jahr 2010 dann endgültig dazu ge­nötigt, erstmals die Steuern in der Steuerhölle Basel zu senken und den Kanton im schweizerischen Steuerwettbewerb zumindest ein wenig attraktiver zu machen. Der vom Grossen Rat genehmigte Kompromiss sah eine Reduktion der Gewinnsteuer für Unternehmen von 22 auf 20 Prozent und eine Reduktion des unteren Einkommenssteuersatzes von 23,5 auf 22,25 Prozent über mehrere Jahre bis 2014 sowie eine Erhöhung des Freibetrags auf Vermögen um 50 Prozent vor.

Eine weitere Senkung auf 18 Prozent für juristische Personen bis 2017 wurde 2012 vom Stimmvolk mit 51 Prozent Nein-Stimmen knapp abgelehnt, nachdem ­Herzogs eigene Partei SP sowie BastA!, Juso und Gewerkschaften das Referendum ergriffen hatten. Dabei wäre im Kampf um die Standortgunst eine zusätzliche Steuersenkung für Unternehmen das richtige Zeichen gewesen – drohen dem Kanton mit der Unternehmenssteuerreform III doch Steuerausfälle in Millionenhöhe. Doch auch bei den natürlichen Personen steht es nicht zum Besten: Der Mittelstand ächzt nach wie vor unter der hohen Steuerbelastung. Eine weitere spürbare Steuersenkung muss hier langfristig das Ziel sein.

Inkonsequente Schuldenpolitik

Als Eva Herzog die Nachfolge von Ueli Vischer (LDP) antrat, stand die neue Finanzdirektorin vor einem Scherbenhaufen. Vischer hatte ihr einen Schuldenberg von über 3,5 Milliarden Franken hinterlassen. Nur noch im Kanton Genf lag die öffentliche Verschuldung pro Kopf höher als in Basel-Stadt. Seit Herzog das Ruder übernommen hat, wurden die Schulden von Jahr zu Jahr gesenkt. Nach einem Tiefststand von 1,7 Milliarden Franken im Jahr 2011 sind die Schulden 2013 wieder auf knapp zwei Milliarden ­Franken angestiegen. Eva Herzog konnte in ihrer bisherigen Amtszeit die Schulden also um knapp 1,5 Milliarden Franken senken.

Ein Erfolg, den Rot-Grün den Bürgerlichen immer wieder genüsslich vorhält und daran erinnert, dass die linke Finanzministerin die Fehler einer bürgerlichen Mehrheit ausbaden musste. Doch eine bürgerliche Mehrheit hatte es im Parlament nie gegeben, als die Schulden Anfang der 1990er-­Jahre stiegen und stiegen. In den Grossratswahlen 1988 erhielten die Bürger­lichen nur 49 von 130 Sitzen. Die NA/SD und die VEW hatten zusammen 17 Sitze. Zusammen mit der Linken stimmten NA/SD und VEW in Finanzfragen grundsätzlich staatspersonalfreundlich. Eva Herzog hatte also ein hausgemachtes Problem zu lösen, das Resultat einer unheiligen Allianz von rechts und links war. Trotz tiefen Zinsen musste der Kanton so in den vergangenen fünf Jahren rund 350 Millionen Franken für die Zinsen aufwerfen. Mehr Schulden­abbau in der seit Jahren anhaltenden komfortablen Einnahmensituation wäre zweifellos möglich gewesen. Dass die SP-Finanzdirektorin stattdessen die Pensionskasse innert weniger Jahre bereits zum dritten Mal saniert und dass erneut mehr Schulden gemacht werden müssen, zeugt hingegen von einer inkonsequenten Schuldenpolitik.

Klumpenrisiko Pensionskasse

Im Jahr 2007 musste die Pensionskasse Basel-Stadt mit rund einer ­Milliarde Franken saniert werden. Nur drei Jahre später waren erneut 795 Millionen Franken nötig, um die Deckungslücke auszufinanzieren. 2010 hätten es ursprünglich 1,12 Milliarden Franken sein sollen – dank der Hausse an der Börse wurde dieser Betrag jedoch auf besagte 795 Millionen gedrückt. Die Misere war erneut hausgemacht: Eine Sollrendite von 4,6 Prozent verunmöglichte eine solid finanzierte Pensionskasse. Überrissen hohe Arbeitgeberbeiträge sowie das ­Leistungsprimat machten die Pensionskasse Basel-Stadt zu einem finanziellen Klumpenrisiko für den Kanton. Im Juni 2014 wurden endlich auf Initiative der Bürgerlichen und der Wirtschafts- und Abgabenkommission des Grossen Rates der Primatwechsel vom Leistungs- aufs Beitragsprimat sowie die Senkung des technischen Zinssatzes beschlossen. Gleichzeitig wurde das Rentenalter von 63 auf 65 Jahre angehoben und man einigte sich auf eine Teilkapitalisierung mit einem Deckungsgrad von 80 Prozent – eine Vollkapitalisierung soll erst 2024 erreicht werden. Dass Herzog bei einem Deckungsgrad von beinahe 100 Prozent auf 80 runtergehen will, um den Primatwechsel zu finanzieren, ist paradox: Eine Teilkapitalisierung war eigentlich nur für marode Pensions­kassen der öffentlichen Hand gedacht. Das Manöver von Eva Herzog ist durchschaubar: Sie hat leere Kassen und würde bei einer Vollkapitalisierung die zulässige Schuldenquote überschreiten. Die ganze Revision kostet den Kanton letztlich rund eine Milliarde Franken, wovon allein 400 Millionen für die Besitzstandregelung aufzubringen sind.

Obwohl alle Parteien dem Kompromiss im Grossen Rat zustimmten, ist es ordnungspolitisch fragwürdig, den ­Primatwechsel erst jetzt zu vollziehen und eine Teilkapitalisierung einer Vollkapitalisierung vorzuziehen. Eine Teilkapitalisierung – oder Dauerunterdeckung – bedeutet nämlich nichts anderes, als dass für laufende und heute versprochene Renten nicht genügend Kapital vorhanden ist. Die fehlenden Mittel werden dann einfach durch neue Schulden finanziert. Die Zeche dieser langjährigen Misswirtschaft bei der Basler Pensionskasse zahlen letztlich die Steuerzahler und die versicherten Kantonsangestellten sowie kommende Generationen, die den Schuldenberg wieder abtragen müssen.

Hätte Eva Herzog dem Grossen Rat bereits 2007 eine vernünftige und zukunftsträchtige Revision der Pen­sionskasse vorgeschlagen, wären die zwei darauf folgenden nicht mehr nötig gewesen. Der Kanton Basel-Stadt wäre heute schuldenfrei und man könnte der Unternehmenssteuerreform III gelassen entgegenblicken. Anstatt zu hoffen, dass der Bundesgesetzgeber eine sogenannte Lizenzbox erlaubt, welche die privilegierte Besteuerung von Unternehmen mit schwergewichtiger Tätigkeit im Bereiche des geistigen Eigentums wie etwa Roche und Novartis erlaubt, könnte die Gewinnsteuer auf ein erträgliches Mass gesenkt ­werden. Das würde allen in Basel-Stadt ansässigen Firmen zugutekommen.

All diese Argumente lassen den Schluss zu, dass Basel-Stadt unter ­gleichen Voraussetzungen mit einer rechts-bürgerlichen Mehrheit vermutlich besser gefahren wäre als mit ­Rot-Grün: Das Ausgabenwachstum wäre gebremst worden. Die Schulden wären nicht nur reduziert, sondern abgebaut worden und hätten dem ­Kanton ein Plus beschert. Die Steuern für natürliche und juristische Personen wären auf ein erträgliches Mass gesenkt worden und würden Basel-Stadt zu einem attraktiven Standort machen. Und mit einem längst vollzogenen Primatwechsel der Pensionskasse hätte eine schlechte Situation für Kantonsfinanzen und -angestellte verhindert werden können.

Eine Dekade Rot-Grün zeigt ­letztlich: Eva Herzog ist keine ­Finanzmagierin, sondern eine treue Parteisoldatin, die für mehr statt für ­weniger Staat steht.

Quelle: Basler Zeitung / Aaron Agnolazza

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