Rentengelder für Bomben

Die öffentlich-rechtlichen Pensionskassen in Bern investieren nicht nur in Hersteller nuklearer Sprengkörper – sondern auch in Firmen, die Streubomben produzieren.

Die öffentlich-rechtlichen Pensionskassen von Stadt und Kanton Bern haben klare Ziele in ihren Anlagereglementen festgehalten: Die städtische Personalvorsorgekasse (PVK) richtet ihre Anlagestrategie an «sozialen, ökologischen und ethischen Kriterien der Nachhaltigkeit aus». Die Bernische Pensionskasse (BPK) gibt an, sie «investiert nicht in Unternehmen, die Atomwaffen oder Streubomben herstellen». Ausserdem will sie «wenn möglich» nicht in Unternehmen investieren, welche Menschenrechte «systematisch verletzen» oder der Umwelt «schwerwiegenden Schaden» zufügen.

In einer Liste hält die BPK auch jene Industrien fest, in die sie nicht investieren will: darunter die Rüstungs-, die Atom- und die Tabakindustrie – auch hier mit der Einschränkung «wenn möglich». Schaut man allerdings das Investitionsverhalten der Pensionskassen genau an, werden diese Regeln in mehreren Fällen nicht eingehalten.

Verbot in über hundert Ländern

Wie eine Analyse der Anlagetätigkeit der beiden Pensionskassen zeigt, investieren sie in Firmen wie Textron, Raytheon und General Dynamics, welche neben anderen Rüstungsgütern auch Streubomben herstellen. Dieser Bombentyp explodiert nicht als Ganzes, sondern verteilt über dem Abschussgebiet mehrere kleinere Sprengkörper. Diese bringen als Blindgänger oft auch die Zivilbevölkerung in Gefahr. Ausserdem sind Streubomben aufgrund der grossflächigen Zerstörung kaum gezielt einsetzbar, was ebenfalls häufig zu zivilen Opfern führt. Diese Eigenschaften hatten in über hundert Ländern ein Verbot dieser Waffengattung zur Folge, so auch in der Schweiz.

Nukleare Sprengköpfe

Weitere Firmen, welche sich im ­Portfolio der beiden Pensionskassen befinden, sind Jacobs Engineering und Lockheed Martin. Gemeinsam mit der Serco Group sind sie Inhaber der Firma AWE, welche sich auf ihrer Homepage selber als «führend im britischen Nuklearprogramm» bezeichnet und nukleare Sprengköpfe sowohl entwickelt wie auch herstellt. Es handelt sich dabei nicht bloss um Zulieferer von Einzelteilen zum Bau von Nuklearwaffen, wie dies Daniel Klöti, der stellvertretende Anlagechef der Bernischen Pensionskasse, im «SonntagsBlick» gesagt hat.

Beide Pensionskassen investieren ausserdem mehrere Millionen Franken in Tabakfirmen. Darunter British American Tobacco und Philip Morris.

Kosten sparen, Renten sichern

Die Verantwortlichen der Pensionskassen bestreiten die Zusammenhänge nicht, begründen die Anlagen in die genannten Firmen aber mit ihrer ­Strategie: Beide Kassen betreiben ein passives Anlagemanagement. Das heisst, sie investieren nicht direkt in die einzelnen ­Firmen, indem sie Aktien kaufen, sondern orientieren sich an sogenannten Indices. Diese setzen sich aus mehreren Aktientiteln zusammen, die zu unterschiedlichen Anteilen vertreten sind. Befinden sich in diesen Indices Aktien aus der Rüstungsindustrie, investieren die Pensionskassen automatisch auch in diese Firmen.

«Wenn wir solche Firmen ausschliessen würden, müssten wir eine aktive ­Anlagestrategie verfolgen», so Jürg Schad, Geschäftsführer der PVK. «Das würde aber bedeuten, dass die zusätzlichen Kosten für die aktive Bewirtschaftung von der Rendite abgezogen werden müssten. Dies wiederum wirkt sich negativ auf den Deckungsgrad respektive die Renten aus.»

Dass es auch anders geht, beweist der norwegische Pensionsfond. Dieser lässt seine Anlagestrategie durch eine Ethikkommission überprüfen. Firmen, welche die Standards dieser Kommission nicht erfüllen, werden zuerst verwarnt und unter Beobachtung gestellt. Erst wenn sie weiterhin gegen die Richtlinien verstossen, werden sie aus dem Anlagepool des Fonds ausgeschlossen. Da es sich mit einem Anlagevermögen von rund 800 Milliarden Franken um den weltweit grössten Staatsfonds handelt, kann dies einigen Druck auf die betroffenen Firmen ausüben.

Weitere umstrittene Firmen

Die umstrittenen Firmen, in welche die Berner Pensionskassen investieren, wurden von dieser Ethikkommission ausgeschlossen. Zusätzlich befinden sich im Portfolio der beiden Pensionskassen auch Firmen, welche gemäss Ethikkommission für «weitreichende, langfristige und irreversible» Umweltschäden verantwortlich sind. Hinzu kommen fünf weitere Firmen, die «Schlüsselkomponenten für nukleare Waffen» herstellen. Eine Firma wurde ausserdem aufgrund von Verstössen gegen die Menschenrechtskonvention ausgeschlossen.

Dr. Matthias Huss, Leiter des Fachbereichs Nachhaltige Finanzanlagen der Universität Zürich, relativiert: «In der gegenwärtigen Situation, in der es ohnehin schwierig ist, eine anständige Zielrendite zu erreichen, rückt die Kostenseite bei den Pensionskassen in den Fokus.» Es gebe zwar eine Anzahl alternativer Indices, welche nach bestimmten Richtlinien problematische Firmen ausschlössen. Typischerweise würden dort aber ganze Industrien ausgeschlossen. «Dies ist nicht immer zielführend: Schliesst man beispielsweise die Rüstungsindustrie aus, bleiben oft die Zulieferer im Port­folio.» Im schlimmsten Fall sei der Ausschluss solcher Firmen nur Kosmetik, ohne echten Einfluss – und führt zu mehr Bürokratie und höheren Kosten.

Weniger Rendite

Doch die Kosten sind nicht die einzige Befürchtung der Pensionskassen. Auf der anderen Seite stehen die Einnahmen. Klöti von der BPK sagt: «Es ist denkbar, dass wir durch Ausschluss solcher Firmen nicht mehr dieselbe Rendite erzielen könnten oder höhere Risiken eingehen müssten.» Laut Huss gäbe es jedoch kaum Evidenz, dass die Berücksichtigung von ethischen oder ökologischen Standards die Renditen stark nachteilig beeinflussen würden. Im Gegenteil: «Einige Studien deuten darauf hin, dass eine Berücksichtigung solcher Faktoren langfristig zu einer höheren Performance führen kann.»

Quelle: Der Bund
16.04.2016

 

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