Unsere Altersvorsorge steckt in Güterwagons

Wegen der tiefen Zinsen gehen Pensionskassen neue Wege: Sie legen das Geld per Fonds auch in Loks und Güterwagen an.

Schweizer Pensionskassen verwalten ein Vermögen von über 700 Milliarden Franken. Dieses Geld muss angelegt werden, und zwar mit einer möglichst hohen und trotzdem sicheren Rendite. Das ist im Moment kaum mehr möglich, denn die Zinsen auf klassische Anlagen wie Anleihen sind im Keller. «Pensionskassen müssen für die Sollrendite mehr Risiken eingehen», sagt René Raths, Leiter Pensionskassen und berufliche Vorsorge der Zürcher Kantonalbank zu 20 Minuten. 

«Der Renner unter Pensionskassen und Versicherungen, die aufgrund hoher Leistungsversprechen einen jährlichen Ertrag von zwei bis vier Prozent benötigen, sind Infrastrukturanlagen», sagt Vermögensverwalter Pirmin Hotz. Den klaren Hauptteil des Geldes investieren die Kassen zwar nach wie vor in Aktien, Obligationen und Immobilien. Aber sechs Prozent legen sie in alternativen Anlagen an, wozu eben auch Infrastruktur zählt.

Die Luzerner Privatbank Reichmuth zum Beispiel hat einen Fonds lanciert, der vor allem bei Pensionskassen gut ankommt: Der Fonds investiert in «langlebige Schweizer Infrastruktursachanlagen in den Bereichen Verkehr, Versorgung und Entsorgung sowie soziale Infrastruktur». Konkret heisst das: Der Fonds besitzt Güterwagen und Loks, die für den Gütertransport langfristig vermietet werden. Das Geld fliesst zudem in Fernwärmenetze und in das Wasserkraftwerk Morteratsch. Ausserdem wird die Finanzierung privater und öffentlicher Spitäler oder Altersheime geprüft.

«Wir sind sehr zufrieden mit der Nachfrage», sagt Marc Moser von der Bank Reichmuth. Insgesamt 250 Millionen Franken sind bis diesen August eingegangen. Das Renditeziel: 5 Prozent plus Inflation. Das ist für Pensionskassen attraktiv: Laut dem Monitor von Swisscanto lag ihre geschätzte vermögensgewichtete Rendite im zweiten Quartal 2016 bei 2,3 Prozent.

Hohe Kosten und ein unbekanntes Risiko

Vermögensverwalter Hotz hat jedoch Vorbehalte gegen den neuen Infrastrukturtrend. Die Gebühren, die die Pensionskassen für solche Fonds zahlen müssen, seien hoch, kritisiert er. Und die Wertentwicklung der Anlage sei komplett intransparent: «Wie soll das Risiko von Infrastrukturanlagen gemessen werden, wenn es keinen Markt und damit keinen Preis dafür gibt?» Im Gegensatz zu den herkömmlichen typischen Anlagen wie Aktien oder Anleihen werden Güterwagons oder Spitäler nicht frei an der Börse gehandelt und dabei täglich neu bewertet. So könne auch nicht ihr aktueller Wert und ihr Risiko taxiert werden.

Eine Bundesrat-Kommission hat diese Woche empfohlen, den Mindestzinssatz der Pensionskassen 2017 von heute 1,25 auf 1 Prozent zu senken. Mit dem Mindestzinssatz wird bestimmt, zu welchem Satz das Vorsorgeguthaben der Versicherten mindestens verzinst werden muss. Angesichts der aktuellen Negativverzinsung von Obligationen guter Qualität sei ein Zinssatz von 1 Prozent vergleichsweise attraktiv, urteilt die Kommission.

Quelle: 20minuten
07.09.2016