Minder-Initiative: So umgehen Pensionskassen den Stimmzwang

Die Pensionskassen fürchten sich nach der Umsetzung der Minder-Initiative vor hohen Bussen wegen des verlangten Stimmenzwangs. Die Kassen arbeiten jetzt mit Hochdruck an einem Plan, das Bussenregime zu umgehen.

Mit 54 Prozent Ja-Stimmen hat das Schweizervolk im März 2013 die Minder-Initiative angenommen. Man versprach sich tiefere Managerlöhne, höhere Renditen für Anleger und allgemein mehr Gerechtigkeit bei kotierten Aktiengesellschaften. Doch in der Umsetzung des Bundesrates ist die Initiative zum Schock-Gesetz für Pensionskassen geworden.

Denn wenn die Vorsorgeeinrichtungen dem vorgesehenen Stimmrechtszwang nicht nachkommen, drohen Bussen von bis zu 540 000 Franken. So jedenfalls steht es in der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV), die für Pensionskassen ab Anfang 2015 gilt.

Die Kassen arbeiten unter Hochdruck daran, sich der neuen Verordnung anzupassen. Einer, der das weiss, ist Heinrich Flückiger, Pensionskassenexperte bei Swisscanto. «Wir passen derzeit zahlreiche Kassenreglemente an und machen sie mit den VegüV-Auflagen kompatibel», sagt Flückiger im Gespräch.

Von der Bussenangst der Kassen ist der Vorsorgeexperte aus erster Hand informiert. «Viele Kassen erachten die Bussandrohung von bis zu 180 Tagessätzen bei Nichterfüllung des Stimmrechtszwangs als allzu grosses Risiko und gehen deshalb in aktiv oder passiv gemanagte Fonds für institutionelle Anleger», so Flückiger.

8 bis 25 Prozent Geldzuflüsse

So können die Pensionskassen den Stimmrechtszwang der Minder-Initiative umgehen. Doch damit wird nicht nur das Bussenrisiko entschärft, auch zusätzliche Kosten für die administrative Bewältigung der Stimmpflicht können die Kassen über Fondsinvestments vermeiden.

«Viele Kassen sagen uns, dass sie die nötige Infrastruktur für die Abstimmung an den Generalversammlungen nicht haben oder nicht installieren wollen», sagt Flückiger. Oft brauche es dafür eine zusätzliche Person, welche sicherstellt, dass bei allen Abstimmungen, bei welchen eine Stimmpflicht besteht, das Stimmrecht wahrgenommen wird und dass die Offenlegung des Stimmverhaltens an die Destinatäre erfolgt.

Die VegüV-Verordnung spielt damit indirekt der UBS, Credit Suisse und Zürcher Kantonalbank (ZKB) in die Hände. Denn diese Banken sind in der Schweiz führend im Bereich passiv gemanagter Anlagelösungen für institutionelle Anleger. Tatsächlich verzeichnet die Credit Suisse bei der entsprechenden Fondspalette für institutionelle Anleger seit Ende letzten Jahres einen Geldzufluss von rund 8 Prozent.

Die ZKB verzeichnete von Juni 2013 bis Juni 2014 gar einen Zufluss von 25 Prozent. Die UBS wollte keine konkreten Zahlen bekannt geben, beobachtet aber auch ein fortgesetztes Wachstum in diesem Bereich.

«Die VegüV-Verordung ist bei einigen unserer Kunden ein Thema», sagt Valerio Schmitz-Esser, Leiter des indexierten Vermögensverwaltungsgeschäfts bei der Credit Suisse. Administrative Vereinfachung und der Stimmrechtszwang hätten möglicherweise den einen oder anderen Kunden zu einem Investment bewogen. Ausschlaggebend für den Trend zum Fonds seien aber eine bessere Diversifikation der Anlagen und Kosteneinsparungen bei der Aufbewahrung der Wertschriften bei der Depotbank für Fondslösungen.

Auch die Firma Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG in Baar beschäftigt die Umsetzung der Minder-Initiative in diesen Tagen. Allerdings erachtet man hier eine Flucht in Kollektivanlagen wegen des Stimmrechtszwangs als völlig falschen Ansatz: «Kollektivanlagen sind oft intransparent, teuer und prozyklisch. Deshalb sollten Pensionskassen ausschliesslich in Direktanlagen wie Aktien und Obligationen investieren», sagt Guido Hoyer, Partner bei Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG. Direktanlagen in qualitativ hochstehende Unternehmungen haben nämlich keine verdeckten Kosten, was langfristig zu besseren Anlageresultaten führt.

Bis zu 25 000 Franken für Beratung

Hoyer will nicht in Abrede stellen, dass die Minder-Verordnung bei den Kassen zusätzliche Kosten verursacht. Doch die seien immer noch tiefer als die verdeckten Kosten von Kollektivanlagen, die je nach Art der Produkte bis zu 4 oder 5 Prozent der verwalteten Vermögen ausmachen können. «Da ist es strategisch immer noch sinnvoller, für 10 000 oder 15 000 Franken pro Jahr einen externen Stimmrechtsberater zu engagieren und weiter direkt in erstklassige Schweizer Aktien zu investieren», sagt Hoyer. Er ist auch dezidiert der Meinung, dass es im Sinne der Destinatäre ist, wenn die Verantwortlichen der Pensionskasse ihre Aktionärsrechte und damit die Stimmpflicht wahrnehmen.

Die Abstimmungspositionen der meisten Pensionskassen basieren auf den Stimmempfehlungen von Beratungsfirmen wie Swipra, zRating (ehemals zCapital) oder Ethos. Beim ältesten und grössten Schweizer Pensionskassenberater, Ethos, kosten die Stimmrechtsempfehlungen 4000 für kleine bis maximal 25 000 Franken für grosse Kassen und das gesamte SPI-Universum. Wer auch noch die administrative Unterstützung, das heisst die Stimmabgabe und den ebenfalls vom VegüV geforderten Abstimmungsbericht für die Versicherten will, zahlt als Ethos-Mitglied 1000 bis 3000 Franken, wobei die Mitgliedschaft gratis ist.

Ethos-Direktor Dominique Biedermann glaubt, dass sich Direktinvestments in Aktien für kleinere Kassen mit Aktienportefeuilles von weniger als 5 Millionen Franken nicht lohnen. «Eine Fondslösung ist für kleine Kassen besser», so Biedermann, der selber Fonds für Pensionskassen anbietet. Denn die Kosten seien zu hoch, aber nicht nur wegen der Stimmrechtskosten. «Die Depotgebühren und die Courtage sind viel höher und lohnen sich für kleine Kassen nicht», so Biedermann. Kassen mit Schweizer Aktien im Wert von unter 10 Millionen Franken sollten gemäss Biedermann Direktinvestments genau prüfen, da eine Fondslösung möglicherweise eine bessere Lösung sei.

Quelle: Solothurner Zeitung
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